Altes für die Mündener Altstadt

von Diana Wetzestein

Mit dem „AltDeutsch“ öffnet die Bürgergenossenschaft Mündener Altstadt ihr zweites Ladengeschäft.
Die Einnahmen aus dem Verkauf der Secondhand-Waren werden für die Sanierung der historischen Gebäude eingesetzt.

Hann. Münden.
1.200 Euro am ersten Tag.
So könnte es bleiben. Schließlich kommt das Geld der Sanierung historischer Fachwerkhäuser in der Mündener Altstadt zugute. Ein Blick in das neue Ladengeschäft “AltDeutsch”, ist wie ein Blick zurück in die Wohnzimmer von Eltern und Großeltern, ohne verstaubt zu sein. Hier eine Kaffeetafel, dort ein Festtagstisch, beides geschmackvoll eingedeckt. Der Sessel mit dem Pfauenmotiv steht einladend bereit, Türen von Geschirr- und Wäscheschrank weit offen, alles so, als wären diese Gegenstände gerade in Gebrauch.
Der Laden für “Secondhand & Kurioses” ist nicht neu, er wurde im Februar 2024 nach einer Sanierung wieder geöffnet. Die Erlöse aus dem Verkauf gebrauchter, hochwertiger Haushaltswaren, Möbel, Stoffe und Kuriositäten, fließen direkt in die Kasse der Bürgergenossenschaft Mündener Altstadt eG (BG).

“Wir kaufen uns die Stadt zurück”, lautet das Motto der BG.
Etwa 440 Mitglieder hat sie heute, gemeinsam kaufen und sanieren sie seit 2013 denkmalgeschützte Fachwerkgebäude in der Mündener Innenstadt. Häuser, die offenbar niemand haben will. Nach der Sanierung werden sie zu sozial verträglichen Preisen vermietet. Fünf Häuser nennt die BG bereits ihr Eigen. Die Arbeiten an den Gebäuden werden überwiegend ehrenamtlich durch die Mitglieder erbracht, nur wenige Gewerke an Firmen vergeben. Ein großer Kostenfaktor sind die Materialkosten. Neben Spenden, die vom Förderverein Mündener Altstadt e. V. eingesammelt werden, sind gespendete Gebrauchtwaren längst zur wichtigsten Einnahmequelle geworden.

Begonnen hat alles mit einem Flohmarkt, für den die Mündener:innen ihre Schätze der BG gespendet hatten. Davon war so viel übriggeblieben, dass Henner Kowalczyk beschlossen hat, einen Flohmarktladen in der Burgstraße 23 einzurichten. Im Dezember 2019 stand die Ladenfläche leer. „Henner verkauft seitdem „Gegenstände mit Berufserfahrung“ und hat eine neue Einnahmequelle für die BG geschaffen“, sagt Bernd Demandt, Vorsitzender der BG.

Der Flohmarktladen „Zeitlos“ habe sich mittlerweile etabliert und sei zur guten Adresse für „Schatzsuchende“ geworden. Denn Schätze seien dort für wenig Geld immer zu finden. „Henner“, den in Münden irgendwie jeder zu kennen scheint, hat im März 2023 als erster Mündener den Ehrenbrief der Stadt erhalten. Unter anderem für den ehrenamtlichen Einsatz in diesem Flohmarktladen.

Das “AltDeutsch” hat sich daraus entwickelt. Mehr als 300 Besucher:innen kamen zur Wiedereröffnung ins Geschäft. Lange Straße 40, 1a-Lage neben dem Rathaus. Eigentümer beider Fachwerkimmobilien ist Bernd Demandt. „Der Laden war einfach kalt und ungemütlich, den Ehrenamtlichen war das nicht mehr länger zuzumuten“, sagt Demandt, der gemeinsam mit Mitgliedern der BG das Erdgeschoss in nur sechs Wochen stilvoll saniert hat. Jetzt sorgt die Fußbodenheizung für Wärme, sind Sanitär- und Küchenraum für die Denkmalaktivist:innen nutzbar.

Die BG hat das leerstehende Ladengeschäft Anfang 2023 bei ihm zu günstigen Konditionen angemietet. Der unsanierte Verkaufsraum – ohne Heizung und jeglichem Komfort – wurde für die Lagerung von Möbeln und Sachen genutzt, die in der Burgstraße keinen Platz mehr fanden, die schönsten Stücke wurden in den Schaufenstern ausgestellt.

Als die Anfragen nach eben diesen Dingen immer mehr wurden, hatte Britta Köwing die Idee, die hervorragende Lage zu nutzen und testweise samstagvormittags den Laden “AltDeutsch” zu öffnen. Mittlerweile hat sich das Geschäft so etabliert, dass es täglich geöffnet hat.

Was für den Gebrauchtwarenladen “Zeitlos” der Henner ist, das ist für das AltDeutsch die Britta. Sie hat schon viele Stunden „beim Henner“ im „Zeitlos“ gearbeitet, ist im Aufsichtsrat der BG und hat jetzt im “AltDeutsch” den Hut auf. Als Ansprechpartnerin für spendenwillige Bürger:innen und interessierte Mitarbeiter:innen investiert sie viele Stunden ihrer Freizeit und auch ihrer Urlaubstage. Die ehrenamtliche Arbeit im “AltDeutsch” ist längst zu ihrem Zweitjob und zur Herzensangelegenheit geworden. Gemeinsam mit Conny Staub, die unermüdlich Preise recherchiert und außerdem für die Sauberkeit der alten Schätzchen sorgt, sowie anderen engagierten Mitgliedern der Genossenschaft, kombinieren sie die vielen kleinen und großen Dinge, die aus unterschiedlichsten Haushalten stammen und dort nicht mehr gebraucht wurden. Interessante Blickwinkel entstehen so auf 70 Quadratmetern Verkaufsfläche. „Dadurch haben wir jetzt neben den Baustellen, an denen tatsächlich vorwiegend die Männer arbeiten, auch einen Ort, an dem die Frauen eine Aufgabe übernehmen können, die körperlich nicht so schwer ist“, sagt Bernd Demandt und schwärmt von den vielen „fantastischen Fundstücken“, die dort wunderbar in Szene gesetzt und für wenig Geld angeboten werden.

So sah es im Januar 2024 im Verkaufsraum aus.

Und so am 17. Februar.

Und auch der Nachschub ist gesichert. Denn neben der Leidenschaft, alte Häuser zu sanieren, hat Denkmalaktivist Demandt aus der Not eine Geschäftsidee entwickelt, die allen zugutekommt. „Ich biete unter dem Titel “Die Leermacher” Haushaltsauflösungen an. Dabei finden sich viele Gegenstände, die ich der Genossenschaft zum Verkauf übergebe“, so Demandt. Ökonomisch und ökologisch ist das sinnvoll und wertvoll.

Tatsächlich sind die Preise gering, die Ware hochwertig und die Ehrenamtlichen hoch motiviert. Mit diesem Geschäftsmodell habe die BG auch im vergangenen Jahr alle in der Ziegelstraße verbauten Materialien finanzieren können. „Wir müssen die Wegwerfgesellschaft endlich hinter uns lassen, die vorhandenen Ressourcen schonen und alles weiterverwenden, was noch gut funktioniert. Eine Katastrophe, wenn man sieht, was alles weggeworfen wird. Das ist bei den Häusern nicht anders als bei den Dingen, die wir täglich im Haushalt benutzen“, so der Denkmalaktivist. Er sieht dieses Geschäftsmodell übrigens auch auf andere Städte und Initiativen übertragbar. Man müsse es eben nur machen. „Wir werden von der Kundschaft unterstützt und motiviert, weiterzumachen“, so Britta Köwing, die sich auch über die vielen Touristen freut, die im Laden stöbern. Denn die tragen nicht nur begeistert die kleinen und großen Schätze nach Hause, sondern berichten auch von der Fachwerkstadt mit der Genossenschaft und einer gelebten Nachhaltigkeit.

Öffnungszeiten:
Montag/Dienstag: 14:30-17:30 | Mittwoch: 10:00-17:30 | Donnerstag/Freitag: 14:30-17:30 | Samstag: 09:30-14:30
Kontakt: Britta Köwing samstags im Laden

Weitere Infos unter:
https://bg-hmue.de/
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